Exposé #22 - Jefferson Fouquet

Sträuße, die überraschen

Jefferson Fouquet verändert bewusst die Farbe von Blumen, damit sie stärker auffallen. Dieser erfinderische Florist ist eigentlich recht schüchtern und bescheiden. Seine Ambition, die Sicht auf die Blumenwelt zu verändern, drückt sich nicht durch ein großes Mundwerk oder wilden Protest aus, sondern durch Sträuße, die subtil, ungewöhnlich und erstaunlich zugleich sind. Wir haben uns mit ihm in den Vororten von Paris getroffen.

UNGEWOHNTE STRÄUSSE

„Weißt du, warum ich bei meiner Arbeit so gern Blau verwende? Weil diese Farbe in der Natur nicht oft vorkommt. Blaue Blumen fallen auf und lassen die Menschen an dem, was sie sehen, zweifeln. Das gefällt mir.“ Man kann Jeffersons Sträuße schön, hässlich, gewagt oder provokant finden, ungewöhnlich und überraschend sind sie auf jeden Fall. Jefferson hat sich bewusst für einen künstlichen, unkonventionellen Stil entschieden. Er möchte eine andere Idee von Schönheit zeigen: eine Idee, die im Widerspruch zu dem steht, was man im Allgemeinen für einen „schönen Strauß“ hält. „Klassische Sträuße gibt es schon so lange. Seit Jahren werden die gleichen Blumen, Farben und Kombinationen verwendet, und der Schönheitsbegriff ist unverändert geblieben. Ich finde, es ist an der Zeit, die bestehende Ästhetik zu durchbrechen und unseren Blick auf Blumen zu erneuern.”

Blaue Blumen fallen auf und lassen die Menschen an dem zweifeln, was sie sehen.

AUSSERGEWÖHNLICHE MUSTER

In Jeffersons Sträuße begegnet man vielen Anthurien und Nelken. Das ist alles andere als Zufall: „Diese beiden Blumen eignen sich besonders für eine Verwandlung. Man kann sie bemalen, tätowieren, dekorieren; eigentlich kann ich mit ihnen alles machen, was ich will.“ Jefferson verändert die Farbe der Blüten oder verziert die Blätter mit außergewöhnlichen Mustern, Farbübergängen und Zeichnungen. Aber es gibt noch einen Grund, warum Jefferson gerne mit Nelken arbeitet. Der Lebenslauf der Blume passt sehr gut zu seinem Ziel, die Blumenwelt zu erneuern: „Die Nelke hatte in Frankreich lange ein schlechtes Image. Jetzt wird sie wieder sehr geschätzt, und man kann sie bei jedem Floristen in allen Farben finden. Das finde ich gut. Nicht nur, weil die Nelke eine schöne Blume ist, das wiederkehrende Interesse zeigt auch, dass es ein Bedürfnis für einen frischen, neuen Blick auf Blumen gibt.“

Ein neuer, weniger klassischer Blick auf Blumen wird immer populärer. Das finde ich gut.

ETWAS STÄRKERES

Doch woher stammt Jeffersons Antrieb und seine Motivation? Ein Wendepunkt war für ihn die Pariser Fashion Week. „Während dieses Events habe ich für einen Floristen gearbeitet. Wir haben für die Fashion Week hunderte Sträuße angefertigt, alle weiß oder monochrom. Während der Veranstaltung habe ich gleich festgestellt, dass die Leute die Sträuße gar nicht wahrnahmen. Sie wurden nicht mehr geschätzt, weil sie gar nicht auffielen. Mir ist da etwas klar geworden. Es war mir wichtig, dass die Leute die Blumen tatsächlich sehen. Dass sie die Blumen als etwas anderes wahrnehmen, ob es nun ihr Geschmack ist oder nicht. Ich habe realisiert, dass ich nicht in eine Szene gehöre, in der Blumen eine untergeordnete Rolle spielen. Ich wollte etwas Stärkeres. Und so habe ich beschlossen Blumen zu kreieren, die schockieren. Damit sie wieder auffallen.“ 

Ich habe realisiert, dass ich nicht zur klassischen Blumenszene gehöre. Ich wollte etwas Stärkeres.

STREET-ART

Jefferson arbeitet nicht von einem Studio aus, sondern am liebsten in den Außenbezirken von Paris, wie in Montreuil. „Diese Orte werden weniger wahrgenommen und geschätzt, obwohl sich dort sehr interessante Dinge abspielen. Für mich haben sie darum mehr Charakter als zum Beispiel eine Wohnung im Haussmann-Stil im Herzen von Paris. Niemand erwartet hier Blumen zu sehen. Indem ich dort arbeite, versuche ich zu zeigen, dass auch diese Orte schön sein können. So versuche ich, unseren Blick auf diese verlassenen Orte zu verändern.“ In den Vororten gibt es viel Street-Art. Die Farben, Formen und Kombinationen dieser Kunstwerke geben Jefferson viele Anregungen. „Außerdem haben sie mir dabei geholfen, mich für andere Kulturen und Ausdrucksformen zu öffnen. Es hat mich motiviert Grenzen zu überschreiten und neue Dinge auszuprobieren.”

Die Street-Art hat mir geholfen, mich für andere.

Kulturen und Ausdrucksformen zu öffnen.

ERFAHRUNGEN TEILEN

Jefferson arbeitet viel mit jungen Designern, Fotografen und Modehäusern zusammen. Er sieht, dass sie häufiger mit Floristen arbeiten und sich von den großen Modeschöpfern und Künstlern unterscheiden wollen. „Das finde ich interessant. In ihrem Anspruch erkenne ich mich selbst wieder. Ich mische gerne bei den Kreativen mit, um mit ihnen zusammenzuarbeiten und Erfahrungen auszutauschen.“ Jefferson bevorzugt Projekte, bei denen er verschiedene handwerkliche Techniken kombinieren kann. „Vor kurzem habe ich zum Beispiel zusammen mit drei anderen Leuten, die in unterschiedlichen schöpferischen Berufen tätig sind, für ein Magazin eine Reihe von Fotos gemacht. Das Ergebnis war eine Fotoserie, in der Blumen und Fotografie auf ganz natürliche Weise zusammenspielten. Irre stark, alleine hätte ich dieses Resultat nie erzielen können. Jeder hat wirklich etwas aus seinem Beruf und von seinen Ideen einen Teil dazu beigetragen. Das hat mir gezeigt, wie wertvoll Zusammenarbeit ist.“

Ich mische gerne bei den Kreativen mit, um mit ihnen zusammenzuarbeiten und Erfahrungen auszutauschen.

SCHWUNG

„Weil ich mit anderen zusammenarbeite, Materialien verwende, die nicht unbedingt zum Beruf des Floristen gehören und ich nicht in einem Studio arbeite, nennt man mich manchmal einen Künstler. Damit habe ich ein Problem. Picasso war ein Künstler, ich bin einfach ein Florist, der andere Wege beschreitet als traditionelle Floristen. Es gibt noch mehr Floristen wie mich. Gemeinsam versuchen wir, der traditionellen französischen Blumenwelt neues Leben einzuhauchen. Obwohl Blumen heutzutage in der Mode und in Magazinen immer beliebter werden, ist ihre Verwendung durchgeplant und man bleibt auf der sicheren Seite. Es werden kaum Risiken eingegangen. Das finde ich schade, vor allem, weil ich weiß, was man alles Großartiges anstellen kann. Glücklicherweise ist in Paris eine originelle Bewegung entstanden, die diese traditionellen Ideen durchbrechen will. Mit meiner Arbeit versuche ich, dieser Bewegung noch mehr Schwung zu verleihen.”

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